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Dirk Obermeier mit "Marktforschung zwischen den Welten" auf marktforschung.de

Marktforschung zwischen den Welten

Die Globalisierung bringt es mit sich, dass Marketing- und Marktforschungsaktivitäten heute ganz selbstverständlich rund um den Globus stattfinden. Oftmals wird die Forschung von einem Land aus zentral durch den Mutterkonzern beauftragt und gesteuert, in der Regel mit dem Wunsch verknüpft, dass die erhobenen Daten zwischen verschiedenen Märkten vergleichbar sind.

Damit stellen sich Marktforschungsabteilungen von Unternehmen und Institute einer enormen Herausforderung, sowohl hinsichtlich des Arbeitsaufwands – und somit letztlich dem notwendigen Investment – als auch in Bezug auf die notwendige methodische Expertise.

Bei multinationalen Studien sehen sich Forscher im Allgemeinen stets mit einer ganzen Reihe an Aufgaben konfrontiert – auf zwei soll kurz ein genauerer Blick geworfen werden. Da wäre die im ersten Moment einfach erscheinende Anforderung, was die identische Konnotation übersetzter Fragen und Antwortskalen über die Märkte hinweg betrifft. Um es an einem simplen Beispiel zu verdeutlichen: Trifft die Frage "Sind Sie glücklich?" in Deutschland den gleichen Kern wie "Are you happy?" in den USA? Und wäre des Weiteren die Antwort "sehr glücklich" identisch mit einem amerikanischen "very happy"?

Der Forscher spricht in diesem Zusammenhang auch von Skalenäquivalenz. Es geht darum, Übersetzungen zu gewährleisten, die nicht nur wörtlich korrekt sind, sondern semantisch und funktional dasselbe meinen, bei Studienteilnehmern die gleichen Vorstellungen wecken und folglich in gleicher Weise beantwortet werden. Eine wortgetreue Übersetzung ist oftmals gerade nicht die geeignetste, da sie den kulturellen Kontext nicht angemessen berücksichtigt.

Eine zweite Herausforderung betrifft das Antwortverhalten. Unabhängig vom eigentlichen Inhalt einer Frage und dem genauen Wortlaut der Antwortoptionen gibt es große Unterschiede, wie Menschen antworten oder genauer gesagt, wie sie eine Skala nutzen. Im asiatischen Raum, etwa in China oder Indien, finden wir in aller Regel eine starke Zustimmungstendenz (Ja-Sage-Tendenz). Japaner hingegen meiden eher die Extreme und zeigen eine ausgeprägte Tendenz zur Mitte. Amerikaner antworten sehr betont mit ausgeprägten Zustimmungen und Ablehnungen. Und Europäer befinden sich irgendwo dazwischen. Alleine am Antwortmuster könnte man recht treffsicher rückschließen, aus welchem Kulturkreis eine Befragung stammt.

Zugegeben, dies sind keine neuen Erkenntnisse und lange bekannte Phänomene. Eine Studie allerdings korrekt aufzusetzen, die erhobenen Daten adäquat auszuwerten und kulturelle Effekte rückwirkend herauszurechnen, ist alles andere als trivial.

Strategien bei multinationalen Studien

Wie also begegnet man diesen Anforderungen nun in angemessener Weise? Die erste Strategie zielt auf die Phase der Erstellung der Fragebögen ab. Meist dient als Ausgangspunkt eine Sprache, in der die Erhebungsinstrumente entwickelt werden. Auf dieser Basis werden dann nach Abstimmung mit dem Kunden die Fragen und Antwortoptionen übersetzt. Da der Übersetzer in aller Regel nicht am Erstellungsprozess beteiligt ist, orientiert er sich tendenziell an einer wörtlichen Übersetzung. Besser wäre es hingegen, bereits bei der Erstellung der Fragen ein multinationales Team an Übersetzern an einem Tisch zu versammeln, das die Instrumente gemeinsam entwickelt anstatt post hoc zu übersetzen, um so wie bereits oben dargelegt weitestgehend den "gleichen bedeutungsbezogenen Kern zu treffen". Auch wenn dies als eine unter realistischen Bedingungen kaum zu leistende und zu finanzierende Herangehensweise erscheint, ist sie im Hinblick auf die Validität der Ergebnisse sicherlich von Nutzen. Die zweite Strategie zielt auf die Phase der Auswertung. Hier lässt sich beispielsweise statistisch prüfen, ob eingesetzte Skalen länderübergreifend funktionieren. Wieder andere Methoden erlauben es gar, die erhobenen Daten so zu adjustieren, dass etwa kulturelles Antwortverhalten gemildert beziehungsweise herausgerechnet wird. Einfache Arithmetik genügt an dieser Stelle allerdings leider nicht, sondern es erfordert recht komplexe statistische Modelle (zum Beispiel Bayesianische-Modelle) und eine Menge an Hintergrundwissen.

Die dritte Strategie zielt zuletzt auf die Interpretation der Ergebnisse ab. Oftmals sind die Studienteilnehmer zwischen den Ländern nicht strukturgleich – zum Beispiel sind chinesische Studienteilnehmer im Schnitt jünger als bei uns, gerade bei Onlinestudien. Dies muss allerdings nicht zwangsläufig ein methodischer Fehler sein, sondern kann durchaus die repräsentativen Käuferschichten widerspiegeln. Wenn nun allerdings mit dem unterschiedlichen Alter weitere Eigenschaften auf Konsumentenseite einhergehen – zum Beispiel ist das Alter häufig konfundiert mit der Technikaffinität – so ist es schwer herauszukristallisieren, ob beobachtete Unterschiede zwischen den beiden Ländern wirklich existieren oder lediglich auf eben diese abweichenden Strukturen zurückzuführen sind. Das ist ein wenig wie beim bekannten Henne-Ei-Problem und lässt sich nicht auflösen, sondern bedarf ebenso einer klaren Definition der jeweiligen Zielgruppe in den Ländern.

Das Messen von Einstellungen und Präferenzen auf Kundenseite ist alles andere als trivial und dies gilt im besonderen Maße in multinationalen Studien. Zukünftige Marktforschergenerationen werden diesem Punkt noch stärker Rechnung tragen und entsprechend methodische Expertise im Werkzeugkoffer haben.

Quelle: http://www.marktforschung.de/hintergruende/themendossiers/multikulturelle-forschung/dossier/marktforschung-zwischen-den-welten/

(Bildquelle: iStock.com/LeoPatrizi)

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