Mannheim, 21. August 2023 - Das Spiegel Institut hat einen neuartigen Ansatz in der ethnographischen Forschung entwickelt: MobE®, eine App die vor allem Gamification-Elemente einsetzt. So können Einblicke in das Verhalten und die Bedürfnisse von Nutzer:innen gewonnen und die Studienteilnehmer:innen bei der Studie zusätzlich motiviert werden. Andreas Klein und Jan Haentjes vom Münchner Büro des Spiegel Institut hatten die Gelegenheit, diesen Ansatz auf der diesjährigen „Human-Computer-Interaction International 2023 (HCII) Konferenz in Kopenhagen vorzustellen.
Der dazugehörige Fachartikel wurde zusammen mit den Kolleginnen Viola Manz, Johanna Gegg und Sarah Ehrlich verfasst. Er diskutiert anhand der eigens durch das Spiegel Institut entwickelten MobE®-App die Vor- und Nachteile sowie Empfehlungen zur Durchführung von Nutzungskontextinterviews mit einer App und Gamification.
Auf der Konferenz vom 23. bis 28. Juli 2023 waren über 420 Teilnehmer:innen vor Ort oder remote anwesend und boten uns spannende Einblicke und einen interessanten Austausch über Methodiken sowie neue Mobilitätskonzepte aus dem Bereich Human Factors.
Mobile Ethnographie
Voraussetzung für eine erfolgreiche Marktforschung und Produktentwicklung ist das umfassende Verständnis von Nutzer:innen und deren Kontext, sprich den konkreten Tätigkeiten, Zielen, Problemen, Ressourcen und der (Arbeits- / Alltags- ,… ) Umgebung der Nutzer:innen.
Ethnografische Interviews ist einer der häufigsten Ansätze, um durch teilnehmende Beobachtung in Kombination mit Interviewfragen den Kontext von (zukünftigen) Nutzer:innen zu verstehen.
Mobile Ethnographie ist ein relativ neuer Ansatz, bei dem Nutzer:innen ihren Kontext selbständig mit Hilfe von mobilen Geräten dokumentieren. Teilnehmer:innen können dabei meistens durch Apps ihre Alltagserfahrungen zum Beispiel per Video, Audio oder Text aufzeichnen. Für viele Branchen, wie Tourismus, Gesundheit oder Einzelhandel, kann mobile Ethnographie die Kosten für Kundenbefragungen erheblich senken.
Ein Schlüsselelement für den Erfolg mobiler Ethnographie ist die Bereitschaft der Teilnehmer:innen, Daten regelmäßig und vollständig zu generieren. Studien zeigen, dass die Ergebnisse und die Vollständigkeit der gesammelten Daten in ethnografischen Studien stark von der Motivation der Teilnehmer:innen abhängen; diese ist aber nur schwer zu kontrollieren.
MobE®
In den letzten Jahren hat sich Gamification als Ansatz bewährt, um Informationen zu vermitteln und das Engagement von Proband:innen bei der Durchführung von Studien zu erhöhen. Ziel des Spiegel Institut war, mobile Ethnographie mit diesem Ansatz zu kombinieren und durch die Integration von Gamification-Elementen in einer App die Motivation der Teilnehmer:innen wesentlich zu erhöhen.
Coins und Levelaufstiege werden dabei in MobE® als Belohnungen für die Beantwortung von Fragen eingesetzt. Gleichzeitig können Teilnehmer:innen kurze studienbezogene oder nicht studienbezogene Fragen beantworten und erhalten sofort das Feedback, was andere Personen auf diese Fragen geantwortet haben. Neben den Gamification-Elementen ermöglicht die vorgestellte App zahlreiche Aufzeichnungsmöglichkeiten, wie unterschiedliche Frageformate, Text, Spracheingabe oder die Aufnahme von Videos und Fotos, womit Teilnehmer:innen ihren persönliche Nutzungskontext dokumentieren können. Zudem enthält MobE® eine Chatfunktion, damit Researcher:innen und Teilnehmer:innen direkt miteinander kommunizieren können.
Zur Evaluation wurde eine Studie durchgeführt, um die Nutzerfreundlichkeit sowie die resultierende Datenqualität von MobE® zu begutachten. Die Evaluation zeigte eine positive und motivierende Nutzererfahrung mit MobE®, vor allem bei passenden Persönlichkeitstypen. Im Vergleich zu einem herkömmlichen ethnografischen Interview, ist die gewonnene Datenmenge und Qualität etwas geringer, aber immer noch mehr als ausreichend, um fundierte Aussagen zu treffen. Auf der anderen Seite zeigt sich ein deutlich geringerer Aufwand sowie geringere Kosten bei der Studiendurchführung.
Insgesamt erwies sich MobE® als echte und zielführende Alternative, um interessante Einblicke in den Alltag von Nutzer:innen zu erlangen. Als besonders sinnvoll erweist sich hierbei die Kombination aus einer Datenerhebung durch ein Interview vor Ort und einer App parallel. Mittels der App kann eine höhere Datenbasis generiert und mit dem höheren Detailgrad aus dem Interview ergänzt werden.
DOI zum Fachartikel:
https://doi.org/10.1007/978-3-031-35596-7_6
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-031-35596-7_6
Bei weiteren Fragen steht Ihnen Jan Haentjes und Andreas Klein gerne zur Verfügung:
Andreas Klein: a.klein@spiegel-institut.de, Tel.: +49 159 04575046
Jan Haentjes: j.haentjes@spiegel-institut.de, Tel.: +49 162 1384813